Interview mit Steuerberater Axel Bahr

Donnerstag, 17. August 2017 | 0 Kommentare

Heute geht unsere Interviewreihe in eine neue Runde und in eine etwas andere Richtung. Wir sprechen mit Axel Bahr, er ist selbständiger Steuerberater und im Auftrag der DATEV als Experte für die Digitalisierung in seiner Branche unterwegs.

 

Sie als Steuerberater vorzustellen greift ja eigentlich zu kurz. Möchten Sie ein paar Worte zu Ihrem Werdegang sagen?

Ja, ich bin 52 Jahre alt, Vater von 5 Kindern und mittlerweile auch Großvater. Ich habe 1982 mit einer Lehre als Steuerfachangestellter begonnen und dann 1996 die Steuerberaterprüfung abgelegt. Ich führe zur Zeit noch alleine meine Kanzlei und in naher Zukunft gemeinsam mit einem zweiten Steuerberater.Die Kanzlei besteht seit 21 Jahren hat mittlerweile 15 Angestellte. Wir sind eine zertifizierte Kanzlei nach dem Qualitätssiegel des Deutschen Steuerberaterverbandes.

Daneben hab ich mich fortgebildet zum zertifizierten Testamentsvollstrecker, zum Wirtschaftsmediator und zum systemischen Coach. Darüber hinaus bin ich seit einigen Jahren als Dozent für die DATEV unterwegs, als Experte für den Bereich Digitalisierung in der Lohnabrechnung.

Was ist die größte Herausforderung, wenn es um Digitalisierung in der Lohnabrechnung geht?

Hier gibt es traditionell viele Medienbrüche – Informationen werden über Telefon, Fax, Papier und Scans übertragen, und das gilt es alles zu digitalisieren:

Das beginnt idealerweise mit einer E-Mail „Mitarbeiter X hat 100 Stunden gearbeitet“, diese Information wird im digitalen Managementsystem abgelegt, die Lohnabrechnung wird erstellt und dem Mitarbeiter digital auf einem Portal zur Verfügung gestellt.

Auch der Arbeitgeber, also unser Mandant, erhält eine digitale Kopie und kann diese über eine Rechnungsverwaltung wie bspw. GetMyInvoices erfassen; dazu wird ein entsprechender Datensatz zur Überweisung der Lohnzahlung weitergegeben und muss lediglich mit einer TAN freigeschaltet werden.

Das ist ja schon ziemlich weit fortgeschritten! Wird es also demnächst die papierlose Steuerkanzlei geben?

Tja, die papierlose Steuerkanzlei liegt in einer Zukunft, die für mich heute nicht greifbar ist, also jenseits von 5-8 Jahren.
Aber die papierarme Kanzlei, das ist auf jeden Fall ein erster Schritt in diese Richtung:

  • Erstens werden die Belege immer mehr digitalisiert, das Scannen der Belege ist ja nur eine Übergangsphase.
  • Zweitens geht es da um die Gewöhnung an digitale Ablage- und Managementsysteme, doch die geht im Berufsstand noch sehr schleppend voran.
  • Der dritte Schritt ist der zum digitalen Arbeitsplatz, also dass alles am Bildschirm erfolgt und bspw. nicht mehr an den Drucker, sondern an OneNote o.ä. gedruckt wird.

Hier ist nicht nur bei den Steuerbüros, sondern auch beim Staat, bei den Banken und den Versicherungen ein Umdenken erforderlich. In Österreich bspw. akzeptieren sämtliche öffentliche Institutionen nur noch digitale Rechnungen – in Deutschland dagegen ist bspw. ein Arbeitsvertrag laut geltender Rechtsnormen nur gültig, wenn er auf Papier unterzeichnet wird!

Welche Unterlagen dürfen denn in Deutschland digital vorliegen?

Die Papierversion ist wie gesagt für Arbeitsverträge und auch für notarielle Verträge verpflichtend. Im Buchhaltungsbereich dagegen darf im Prinzip alles digital sein, es muss nur revisionssicher abgelegt werden.

Eine Rechnung, die in Word geschrieben und als PDF abgelegt wird, ist nicht revisionssicher – und das ist lt. Finanzbehörde ein formeller Mangel der Buchführung.

Was wäre denn ein revisionssicheres Format?

Zur revisionssicheren Ablage gibt es digitale Managementsysteme (DMS). Wenn dort eine Datei abgelegt und später bearbeitet wird, gibt es immer einen entsprechenden Vermerk – und das erfüllt die Vorgabe der Finanzbehörden, also die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, die ab dem 1.1.2017 gelten.

Was hat Sie inspiriert, sich mit Buchhaltung und Steuern zu beschäftigen?

Ich war damals, als ich meine Ausbildung gemacht habe, 17 Jahre alt. Durch eine schöne lange Ferienzeit nach der Schule in Italien, hatte ich es versäumt mich für die nächste weiterführende Schule anzumelden – tja, und in der Nachbarschaft war ein Steuerberater, der suchte noch einen Lehrling.

Aber ich habe schon während meiner Lehre Gefallen an dem Beruf gefunden, an der Kombination aus strukturiertem Arbeiten – Buchhaltung, Belege, Steuern… – und zugleich auch dem Menschenkontakt. Als Steuerberater erlangt man eine sehr große Vertrauensposition bei den Menschen, direkt nach Ärzten, und das ist eine sehr große Herausforderung, Menschen zu begleiten bei ihren Entscheidungen.

Zum anderen ist es spannend, zu erkennen – wenn man bspw. mit Finanzämtern spricht – dass das, was im Gesetz steht, doch gar nicht so schwarz und weiß ist, Sachverhalte gibt, die man unterschiedlich auslegen und gestalten kann… Ja, und das macht einfach Spaß!

Was würden Sie machen, wenn Sie nicht in Ihrer gegenwärtigen Stellung tätig wären?

Ich wollte immer Zahlmeister auf einem Schiff werden. Jedes Kreuzfahrtschiff oder Containerschiff, das unterwegs ist, bekommt von der Reederei Geld und dieses Geld muss eben auf dem Schiff verwaltet werden – Heuer auszahlen, Einkäufe tätigen…

Ja, das wollte ich immer werden und jetzt bin ich doch Steuerberater geworden und kann mir heute keinen anderen Beruf mehr vorstellen.

Höchstens in der Zukunft, wenn ich mich aus der Kanzlei zurückziehe, dass ich Hotelier werde: so ein kleines Hotel, ein bisschen Kochen für meine Gäste, ein bisschen Klavier spielen…

Was würden Sie machen, wenn Sie (beispielsweise durch Automatisierung) mehr Zeit hätten?

Wenn mehr Sachen automatisiert laufen würden, würde ich die Zeit dafür nutzen, mich noch intensiver und stärker aktiv um meine Mandanten zu kümmern. Das heißt, weniger abarbeiten und passiv beraten, sondern durch gutes Fragen und Zuhören herauszufinden, wo seine Beratungsbedürfnisse liegen.

Sie arbeiten ja auch mit und für die DATEV und wissen ja daher, welche Erleichterungen der Einsatz von Technik bringen kann. Auf welche Digitalisierungsmöglichkeit würden Sie heute auf keinen Fall mehr verzichten wollen?

Auf das DMS, also auf das digitale Ablegen bzw. Archivieren, da möchte ich auf keinen Fall drauf verzichten, auf das elektronische Verarbeiten von Bankkontoauszugsdaten und die OCR-Erkennung beim Einscannen von Belegen, also dass die Informationen erkannt werden.

Welche Bereiche in Ihrer Kanzlei würden Sie gerne noch digitalisieren?

Aktuell habe ich gerade zwei Projekte angestoßen. Das erste betrifft die Digitalisierung meiner Mandanten. Ich möchte meine Digitalisierungsgeschwindigkeit ab nicht mehr abhängig machen von der Umsetzungsgeschwindigkeit meiner Mandanten. Also wenn der Mandant noch mit einem Pendelordner arbeitet – sprich, einmal pro Monat kommt jemand mit einem Belegordner zu mir, wir verbuchen den und dann holen sie den wieder ab – dann digitalisiere ich den und verarbeite alle Belege digital, unabhängig davon, ob der Mandant das will oder nicht.

Das zweite Projekt betrifft unser DMS, unser digitales Managementsystem, das werden wir noch als Archivierung nutzen, und die Schreibtische unserer Mitarbeiter – die werden vollständig digital. Sie erhalten ein iPad und all die gelben Zettel, die man normalerweise auf dem Schreibtisch hat, werden über OneNote abgebildet. Das ist ein Microsoft-Produkt zur Notizenverwaltung mit einer offenen, selbst gestaltbaren Struktur.

Was sind die häufigsten Fehler, die Sie bei Ihren Mandanten in der Buchhaltung sehen?

Viele Mandanten haben eine so genannte Schattenbuchführung, das heißt sie stellen dem Steuerberater alle vier Wochen einen Ordner mit Rechnungen zur Verfügung und arbeiten dann aber nicht damit, sondern führen separate Parallellisten bspw. darüber, welche Rechnung schon bezahlt wurde.

Der zweite Fehler vieler Mandanten ist es, die Buchführung nur als notwendiges Übel für das Finanzamt zu sehen, und nicht als Chance, als Plattform, um Tendenzen und Entwicklungen zu erkennen und daraus Veränderungen abzuleiten.

Was würden Sie sich von Ihren Mandanten wünschen?

Digitales Einreichen von Belegen, vollständiger Zugriff auf alle Daten und kürzere Buchungsrhythmen!
Dafür müsste der Mandant zunächst alle Lieferanten anschreiben und sagen: Schickt mir bitte keine Rechnungen auf Papier, sondern schickt die per E-Mail an rechnung@mandant.de. Dann können die hochgeladen werden und es muss immer weniger gescannt werden.

Der zweite Schritt wären dann andere, kürzere Rhythmen in der Zusammenarbeit mit dem Steuerberater – so dass man Auffälligkeiten viel schneller ansprechen kann. Aber davon sind wir bei vielen kleinen Mittelständlern noch Lichtjahre entfernt – da heißt es einerseits ‚never change a running system‘, aber das ist auch dem fehlenden Druck von außen geschuldet.

Welche Tipps haben Sie für Freiberufler und Unternehmensgründer?

Sprechen Sie mit Ihrem Steuerberater nicht nur über das Tagesgeschäft, über die Abrechnung oder Steuervoranmeldung, das macht er ohnehin gut.

Suchen Sie stattdessen einen Kollegen, der Sie dabei unterstützt, die vorgelagerten Prozesse zu optimieren: Also

  • wie etabliere ich ein digitales Managementsystem?
  • Wie mach ich das mit Rechnungseingang und Rechnungsausgang, was brauch ich da für Programme?
  • Können wir eine Prozessberatung machen, um Medienbrüche zu vermeiden?

Also weniger über Steuern sprechen, sondern darüber, wie man Digitalisierung und Automatisierung verbinden kann; nicht einfach die Belege aus dem vergangenen Jahr einreichen, sondern zeitnah schauen, wie man aus aktuellen Daten Trends erkennen und Strategien – geschäftliche wie steuerliche! – ableiten kann!

Ja, dann bedanke ich mich schon einmal für das Gespräch und möchte Ihnen zum Abschluss die Möglichkeit geben, etwas Werbung zu machen: Warum sollten Unternehmer Sie beauftragen?

Weil ich immer eine gute Idee hab und nicht nur als Steuerberater, sondern auch als ausgebildeter Coach denke.

Weil ich komplizierte Dinge einfach verständlich erklären kann und meinen Mandanten helfe, auf den Zug der Digitalisierung aufzuspringen, wenn sie dies möchten.

Ja, und wir haben faire Preise – wir legen den Fokus immer auf den Prozess und optimieren gemeinsam mit den Mandanten, anstatt einfach das Honorar zu erhöhen.

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