Scheinselbstständigkeit kann Auftraggeber und -nehmer teuer zu stehen kommen. Dabei wissen viele Freelancer nicht einmal, dass sie scheinselbstständig sind. Lesen Sie hier, welche Strafen drohen und wie Sie den arbeitnehmerähnlichen Status vermeiden können.
Normalerweise arbeiten Sie als Freelancer für mehrere Auftraggeber. Doch gerade sind ein paar Interessenten weggebrochen oder Projekte ausgelaufen, sodass Sie derzeit nur noch für einen Kunden tätig sind? Dann kann möglicherweise eine Scheinselbstständigkeit vorliegen – zumindest nach Definition der Deutschen Rentenversicherungsanstalt. Doch was genau unterscheidet einen Selbstständigen von einem Scheinselbstständigen?
Dem Vorwurf der Scheinselbstständigkeit ausgesetzt sind regelmäßig Freelancer, die von ihrem Auftraggeber wie Angestellte behandelt werden. Das heißt, sie arbeiten häufig nur für einen Kunden in dessen Büroräumlichkeiten und erhalten oft einen niedrigen Stundenlohn – ähnlich dem eines festangestellten Mitarbeiters.
Obwohl sie abhängig beschäftigt sind, genießen sie nicht die Vorteile eines festen Mitarbeiters. Beispielsweise müssen sie sich selbst um ihre Krankenversicherung und Altersvorsorge kümmern. In einer offiziellen Festanstellung müsste der Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge zur Hälfte übernehmen. Zudem können sie ihren Auftraggeber schnell verlieren: Schließlich haben sie keine Kündigungsfrist und können damit sofort „entlassen“ werden. Anders als festangestellte Mitarbeiter kann der Arbeitgeber seine scheinselbstständigen Freelancer also schnell wieder loswerden und genießt damit hohe Flexibilität. Deshalb ist die Scheinselbstständigkeit für die Auftraggeber in aller Regel attraktiver als für Freelancer.
Die Bundesgerichte haben Kriterien definiert, anhand derer selbstständige Freelancer von Scheinselbstständigen unterschieden werden. Einen Selbstständigen erkennt man normalerweise an diesen Merkmalen:
In der Regel hat ein „echter“ Selbstständiger mehrere Auftraggeber, für die er gleichzeitig arbeitet. Er ist unabhängig beschäftigt und bestimmt demnach seinen Arbeitsort und seine -zeiten selbst. Darüber hinaus hat ein Selbstständiger oft eigene (Büro-) Räumlichkeiten und arbeitet nicht bei dem Auftraggeber vor Ort (solange dies nicht zwingend erforderlich ist). Ein weiteres Kriterium, das für den Status als Selbstständiger spricht, kann eine eigene Website sein, auf der er für sein Unternehmen wirbt. Wichtig ist außerdem, dass der Selbstständige ein unternehmerisches Risiko trägt. Das ist beispielsweise bei einem Angestellten nicht der Fall.
Ein Scheinselbstständiger hingegen ist oft nur für einen einzigen Auftraggeber tätig. Oder es gibt eine finanzielle Abhängigkeit zu einem Kunden, der mehr als 80 Prozent des gesamten Auftragsvolumens ausmacht. Der Scheinselbstständige arbeitet oft in den Räumlichkeiten des Auftraggebers und muss sich mit seinem Kunden sogar über den eigenen Urlaub absprechen. Besonders stutzig werden Prüfer außerdem, wenn der Freelancer nur einen geringen Stundenlohn erhält, der dem eines Festangestellten ähnelt. Kurzum: Wenn der Freelancer in seinem Verhältnis zum Auftraggeber also kaum von einem Festangestellten zu unterscheiden ist, liegt vermutlich eine Scheinselbstständigkeit vor.
Anhand dieser Kriterien mag die Einordung auf den ersten Blick sehr klar erscheinen. Doch Obacht: Eine eindeutige Unterscheidung gibt es nicht. Tatsächlich widersprechen sich einige vergangene Urteile zur Scheinselbstständigkeit sogar. Daher gibt es derzeit leider in Deutschland keine eindeutige rechtliche Definition, um die Selbstständigkeit eines Freelancers zweifelsfrei zu bestätigen. Ein Umstand, der von Wirtschaftsverbänden und Politikern bereits oft bemängelt wurde.
Das offizielle Verfahren zur Prüfung der Scheinselbstständigkeit nennt sich im bürokratischen Deutsch Statusfeststellungsverfahren. Es kann zum Beispiel durch das zuständige Finanzamt, die Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Hauptzollämter oder die Krankenversicherung angestoßen werden. Das Statusfeststellungsverfahren wird anschließend von der Deutschen Rentenversicherungsanstalt durchgeführt.
Die Deutsche Rentenversicherungsanstalt geht seit vielen Jahren entschieden gegen Scheinselbstständigkeit vor. Die Versicherung begründet ihr Vorgehen in erster Linie mit dem Arbeitnehmerschutz: Schließlich haben scheinselbstständige Freelancer keinen Urlaubsanspruch, erhalten keinen Mindestlohn und können jederzeit „entlassen“ werden. Sie profitieren also nicht von den Vorteilen eines festangestellten Mitarbeiters, obwohl sie abhängig beschäftigt sind. Vor diesem unausgewogenen Arbeitsverhältnis sollen Scheinselbstständige also laut der Rentenversicherungsanstalt geschützt werden.
Das sind auf den ersten Blick noble Ziele. Doch bei genauer Betrachtung wird auch klar: Die Deutsche Rentenversicherungsanstalt hat ein finanzielles Interesse daran, dass mehr Freelancer als Scheinselbstständige „entlarvt“ werden. Schließlich profitiert die Versicherung, wenn mehr Sozialabgaben bezahlt werden. Der Verband der Gründer und Selbstständigen in Deutschland e. V. (VGSD) kritisiert daher, dass die Rentenversicherungsanstalt keine neutrale und unvoreingenommene Prüfung vornehmen kann. Ob das stimmt, sei dahingestellt. In jedem Fall endet etwa jedes dritte Statusfeststellungsverfahren der Versicherungsanstalt mit dem Urteil Scheinselbstständigkeit.
Doch noch viel wichtiger ist: Was passiert mit dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer, wenn tatsächlich offiziell eine Scheinselbstständigkeit festgestellt wird?
Die Auftraggeber trifft es in diesem Fall am härtesten. Sie müssen bei Feststellung der Scheinselbstständigkeit Ihres Freelancers bis zu vier Jahre rückwirkend Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer (+ Säumniszuschläge) nachzahlen. Die Verjährungsfrist dafür liegt bei fünf Jahren. Wenn Vorsatz festgestellt wird, kann sich die Frist auf dreißig Jahre verlängern. Darüber hinaus kann der Auftraggeber mit einer Geldbuße oder sogar Freiheitsstrafe belegt werden.
Solch eine Strafe ist für den scheinselbstständigen Auftragnehmer nicht zu erwarten. Dennoch muss auch der Freelancer im Falle der Feststellung der Scheinselbstständigkeit möglicherweise rückwirkend Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer nachzahlen. Doch auch das kann trotz fehlender Strafe – je nachdem, wie lange er abhängig beschäftigt war oder ist – recht teuer werden. Zusätzlich bekommt er seinen Status als Selbstständiger aberkannt und kann sich nun als Angestellter in die Firma seines Auftraggebers einklagen. Damit hat er Anspruch auf Kündigungsschutz, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubstage – eben ganz so wie ein regulärer Festangestellter.
Der erste Schritt, um Scheinselbstständigkeit zu vermeiden, ist schon mal, sich zu informieren! Denn viele Fälle von Scheinselbstständigkeit entstehen aus purer Unwissenheit – und bekanntlich schützt die ja nicht vor Strafe. Zusätzlich sollten Sie alle Verträge zwischen Ihnen und Ihrem Auftraggeber auf Formulierungen hin überprüfen. Wichtig ist, dass Ihr Kunde Ihnen gegenüber nicht weisungsberechtigt ist und Ihnen zum Beispiel keine Arbeitszeiten vorschreiben darf – das sollte auch in dem Vertrag schriftlich festgehalten werden. Darüber hinaus ist auch eine räumliche Trennung sinnvoll, damit Ihnen keine Scheinselbstständigkeit unterstellt werden kann.
Neben dem Damoklesschwert Scheinselbstständigkeit müssen Freelancer einige weitere Herausforderungen meistern. Wie zum Beispiel regelmäßig rechtskonforme Rechnungen – und leider auch manchmal Mahnungen – verfassen. Welche Angaben auf einer ordnungsgemäßen Rechnung bzw. einer Mahnung enthalten sein müssen, lesen Sie hier:
Freiberufler: Korrekt eine Rechnung bzw. Mahnung schreiben (inklusive Vorlage)!
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